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Einführung

  1. Der globale Markt für alle Formen elektronischer Informationsressourcen befindet sich in einer Zeit, in der Verleger und Zulieferer elektronischerInformationen den gesamten Bibliothekssektor (öffentliche Bibliotheken, Hochschul-, Spezial- und Nationalbibliotheken) als Kunden gewinnen möchten, in einem rasch fortschreitenden Entwicklungsprozess. Gegenwärtig sind Bibliotheken weltweit weiterhin Mittler zwischen Bürger/inne/n – einschließlich jener, die mit spezifischen Institutionen verbunden sind – und Informationen und Formen des kulturellen Ausdrucks. Es scheint, als sei diese Aufgabe für die elektronischen Medien von noch größerer Bedeutung als für die Printmedien. Bibliotheken fördern die Archivierung und Erhaltung traditioneller Medien und sind gleichzeitig auf der Suche nach Möglichkeiten, elektronische Ressourcen so zu archivieren und zu erhalten, dass sie für lange Zeit zugänglich sind.

    Die Preisgestaltung bleibt ein wichtiges Thema: Bibliotheken äußern weiterhin Bedenken darüber, dass eine Reihe elektronischer Ressourcen teurer zu sein scheinen als die entsprechenden Printmedien.

  2. Die Bibliotheken unterstützen zwar die Übertragung von im Rahmen des Urheberrechts eingeräumten Ausnahmeregelungen in den digitalen Kontext. In einigen Bereichen müssen jedoch andere Abläufe und Richtlinien für den Umgang mit elektronischen Publikationen entwickelt werden. Für die IFLA ist hinsichtlich der Entwicklung von Lizenzen der folgende Punkt von besonderem Interesse:

    1. Die weltweite Nutzung elektronischer Informationen ist derzeit in der Regel durch vertragliche Vereinbarungen – Lizenzen – definiert und beschrieben. Diese Lizenzen beschreiben umfassend die Bedingungen für die Beziehung zwischen Anbieter und Bibliothek. Eine Untervergabe ist für die meisten Akteure in der Informationskette eine vergleichsweise neue Form (seit den 1990er Jahren) der geschäftlichen Interaktion.
    2. Lizenzen sind rein marktwirtschaftliche Vereinbarungen. Ein transaktionswilliger Informationsanbieter und ein entsprechender Käufer tun sich zusammen, um für die einzelnen Transaktionen und Medien einzelne Vereinbarungen zu treffen.
    3. Rechte der Nutzer/innen werden in den Lizenzbedingungen festgelegt. Sie sind nicht im selben Maße wie die Nutzung „unbeweglicher“ bzw. traditioneller Informationsformate durch ein (vergleichsweise wohlverstandenes) Urheberrecht geregelt.
    4. Bibliotheken bieten im Allgemeinen für solche Informationen einen nutzergesteuerten Fernzugriff über die Webseiten von Verlagen oder Anbietern statt über bibliotheksgesteuerte Webseiten an. Die Aufgaben und die Kosten, die für Bibliotheken und Anbieter von Informationsdiensten hinsichtlich der Archivierung und Erhaltung elektronischer Ressourcen entstehen, sind jedoch weiterhin in einem besorgniserregenden Ausmaß unklar. Eine Lizenz kann diese komplexen Fragestellungen rund um die Archivierung zwar nicht lösen, sie jedoch berücksichtigen und eine Reihe von Verpflichtungen oder Erwartungen seitens der vertragschließenden Parteien zum Ausdruck bringen.
  3. Für den Verband IFLA ist die Lizenzierung positiv besetzt. Wichtige Fragestellungen bleiben jedoch weiterhin ungelöst. Insbesondere wird deutlich, das Lizenzierungen die komplexen Geschäftsvereinbarungen zwischen Informationsanbietern und Bibliothekskonsortien unterschiedlicher Art und Größe reflektieren. Der Verband IFLA unterstützt die Entwicklung, dass alle Arten von Bibliotheken als Konsortien verhandeln. Bibliotheken und ihre Nutzer/innen benötigen jedoch trotz der aktuellen Hinwendung zur Lizenzierung als einer ergänzenden Maßnahme zur Regulierung der Nutzung elektronischer Informationen ein effektives, ausgewogenes nationales Urheberrecht. Dieses soll nicht nicht nur berücksichtigen, dass Urheberrechtsinhaber/innen angemessen vergütet und anerkannt werden, sondern auch die entscheidende Rolle im Blick haben, die öffentlich zugängliche Ressourcen der Bereiche Information, Bildung und Forschung spielen. Dieses Gleichgewicht, das durch ein sorgfältig ausgearbeitetes Urheberrecht festgeschrieben wird, muss in allen Lizenzen für Informationsmedien zum Ausdruck kommen.

 

 

Die IFLA stellt hiermit eine Reihe von Grundsätzen vor, die in der vertraglichen Beziehung und bei allen schriftlichen Verträgen zwischen Bibliotheken und Informationsanbietern durchgesetzt werden sollten.

 

 

Lizenzen und Gesetzgebung

P1. Mit den Lizenzen wird eine Vereinbarung zwischen der Bibliothek, die ihren Leser/inne/n oder Mitgliedern elektronische Ressourcen anbieten möchte, und einem Verlag oder Anbieter geschlossen, der die Rechte an diesen Ressourcen hält und den Markt der Bibliotheken für dieses elektronische Angebot nutzen möchte. Lizenzbedingungen müssen den Kunden vor Abschluss eines Vertrags über die jeweiligen Ressourcen vollständig zur Verfügung stehen. Jede Lizenz unterliegt der Erörterung der jeweiligen Bedingungen und der Verhandlung zwischen den Vertragsparteien.

P2. Bei nicht gesondert ausgehandelten Lizenzvereinbarungen (sog. “Shrink-wrap”- und “Click-through”-Lizenzen) sollten die Konditionen den staatlichen Strategien in den Bereichen Urheberrecht, Datenschutz, geistige Freiheit und Verbraucherschutz entsprechen.

P3. Lizenzen (Verträge) für Information sollten gegenüber den Nutzer/inne/n sämtliche durch anzuwendendes Urheberrecht gegebenenfalls eingeräumten Rechte weder ausschließen noch sich negativ auf diese Rechte auswirken.

P4. Die Wahl des anzuwendenden Rechts sollte für beide Vertragsparteien akzeptabel sein. Vorzugsweise ist das nationale Recht oder das Landesrecht des Lizenzinhabers anzuwenden.

P5. Lizenzen sind in der Erstsprache der Bibliothekskundinnen und -kunden zu verhandeln und zu verfassen.

Lizenzen und Werte

P6. Der Lizenzvertrag muss klar und umfassend sein und die Anforderungen aller Vertragsparteien berücksichtigen. Insbesondere sind wichtige Vertragsbedingungen klar und gut verständlich zu definieren.

P7. Die Lizenz soll ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten beider Vertragsparteien herstellen.

P8. Die Lizenz sollte eine Frist zur Fehlerbeseitigung sowie andere Formen der Problemlösung beinhalten, bevor eine Kündigung oder der Rechtsweg in Erwägung gezogen werden.

P9. Den vertragschließenden Parteien ist das Recht einzuräumen, sich unter angemessenen und genau definierten Umständen aus dem Vertrag zurückzuziehen.

Lizenzen: Zugang und Nutzung

P10. Die Lizenz sollte allen mit dem Lizenzinhaber (Institution oder Konsortium) verbundenen Nutzer/innen unabhängig davon die Zugangsberechtigung gewähren, ob sie sich in den Räumlichkeiten des Lizenzinhabers aufhalten oder nicht.

P11. Die Lizenz sollte einzelnen, nicht mit dem Lizenzinhaber verbundenen Benutzer/inne/n die Zugangsberechtigung einzuräumen, wenn sie sich in den Räumlichkeiten des Lizenzinhabers aufhalten.

P12. Die Lizenz sollte die Zugangsberechtigung für geografisch ferne Standorte einräumen, sofern sie Teil der Organisation des Lizenzinhabers sind.

P13. Der Fernzugriff sollte über eine webbasierte, benutzerfreundliche Schnittstelle angeboten werden.

P14. Daten, die lokal heruntergeladen werden, sollten in mehreren Standardformaten vorhanden (z. B. PDF HTML und SGML) und auf alle wesentlichen Rechnerplattformen und Netzwerkumgebungen übertragbar sein.

P15. Als Mindeststandard sollte die Lizenz sollte den Nutzerinnen und Nutzern gestatten, Materialien zur persönlichen Nutzung uneingeschränkt lesen, herunterladen und drucken zu können.

P16. Ressourcen, die über Anbieterseiten per Fernzugriff angeboten werden, sind rund um die Uhr mit einer angemessenen „Hilfefunktion“ oder Kundenbetreuung zur Verfügung zu stellen. Dies gilt nicht für geplante Auszeiten, die den jeweiligen Bibliotheken mit einer angemessenen Frist vorher angekündigt werden. Falls bestimmte Dienstleistungsverpflichtungen nicht erfüllt werden, können Vertragsstrafen anfallen.

P17. Ein hohes Maß an inhaltlicher Stabilität ist sowohl für einzelne Ressourcen als auch für Ressourcensammlungen zu garantieren. Der institutionelle Kunde ist über Veränderungen zu informieren. Falls bestimmte inhaltliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden, können Vertragsstrafen anfallen.

Lizenzen und Endnutzer/innen

P18. Es empfiehlt sich für Bibliotheken, mit den Nutzerinnen und Nutzern zusammenarbeiten , um ihnen den sachgemäßen Gebrauch elektronischer Ressourcen zu vermitteln. Zudem sollten sie angemessene Maßnahmen ergreifen, um eine rechtswidrige Verwendung zu verhindern. Durch Zusammenarbeit mit Anbietern können Bibliotheken eventuelle Verstöße unterbinden, sobald diese bekannt werden. Eine Bibliothek ist jedoch nicht für die Handlungen einzelner Nutzer/innen haftbar zu machen.

P19. Es ist nicht angebracht, einzelne Nutzerinnen und Nutzer zu bitten, einem Vertrag (z. B. einen „Click-through“-Vertrag) zuzustimmen, wenn die Institution/Bibliothek bereits einen Vertrag im Namen ihrer Kunden geschlossen hat oder im Begriff ist, einen Vertrag zu schließen.

P20. Nutzerdaten sind in der Lizenz und bei jeder Intervention von Informationsanbietern oder Mittlern zu schützen und zu respektieren.

P21. Der vernetzte Informationsanbieter sollte Daten über die Nutzung (statt über die Nutzer/innen) anbieten, so dass die Bibliothek und Lizenzinhaberin beurteilen kann, wie effektiv eine Ressource genutzt wird.

Lizenzen und dauerhafter Zugang

P22. Eine Lizenz sollte einen erschwinglichen dauerhaften Zugang zu der lizenzierten Information durch angemessene und geeignete Mittel beinhalten.

P23. Eine Lizenz sollte Vorkehrungen für den langfristigen Zugang zu Informationsressourcen sowie deren Archivierung thematisieren und die entsprechenden Zuständigkeiten benennen.

Lizenzen und Preisgestaltung

P24. Die Preisgestaltung sollte die Nutzung fördern, anstatt von einer Nutzung abzuhalten. Beispiel:

  • Viele Anbieter berechnen für elektronische Informationen einen niedrigeren Preis als für die Druckversion (falls vorhanden).
  • Viele Anbieter bieten jetzt Anreize – beispielsweise Konsortialpreise, eine Auswahl unterschiedlicher Preismodelle und ähnliches an.

P25. Die Preise sollten vollständig und ohne versteckte Kosten offengelegt werden.

P26. Es empfiehlt sich, für elektronische Versionen einen entbündelten Preis (ohne Einbeziehung der Druckversion) anzubieten. Eine gebündelte Preisgestaltung kann ebenfalls angeboten werden, wenn sie für den Lizenznehmer vorteilhaft ist.

P27. Die Kündigung des Bezugs der Druckversion einer Informationsressource zugunsten der elektronischen Version ist nicht mit einer Strafzahlung zu belegen.

P28. Bestimmungen zur Nichtpreisgabe von Lizenzbedingungen sind generell unangemessen.

Fernleihe

P29. Regelungen der Fernleihe oder ähnlicher Dienste sind in die Lizenz einzubeziehen.

P30. Im Allgemeinen sollten Bibliotheken in der Lage sein, Auszüge lizenzierter Information in angemessener Länge an Bibliotheken zu liefern, die für diese Information keinen Vertrag unterschrieben haben, sie jedoch einem bestimmten Kunden zur Nutzung überlassen möchten.

Lehren und Lernen

P31. Lizenzen sollten das lokale Lehren und Lernen von der Primarstufe bis zur Hochschule unterstützen, indem sie ermöglichen, dass Links zu bestimmten unterrichtsrelevanten Informationen oder Kopien dieser Informationen in Online-Aktivitäten zur Unterrichtsunterstützung (z. B. Electronic Reserve) integriert werden.

P32. Selbstständiger Fernunterricht stellt für Anbieter und Bibliotheken eine Herausforderung dar. Lizenzgeber sollten die Anbindung von Nutzerinnen und Nutzern an eine bestimmte Bibliothek unabhängig vom physischen Standort der Nutzer anerkennen und deren regelmäßigen Zugang zu lizenzierten Informationsressourcen zulassen (siehe auch Klausel Nr. 8).

Verabschiedet vom IFLA-Präsidium, im März 2001